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Online-Gruppen und ihre Sinnhaftigkeit

Am 18 März 2021 habe ich mir bei Webex einen eigenen Account angelegt, weil ich es für wichtig hielt, Menschen die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe zu ermöglichen, die sonst aus welchen Gründen auch immer, keine Präsenzgruppe besuchen können. Am 21. März 2021 startet die erste Online Gesprächsgruppe, moderiert wurde das Ganze von mir und SoberGuide Frank.

Zu diesem Zeitpunkt wurde die kostenlose Version noch nach 50 min, ohne Vorwarnung, abgeschaltet. Viele Montagabende habe ich und Frank allein vor dem Bildschirm verbracht und wir haben uns über Wetter und Hunde unterhalten.

Es ging schleppend voran, aber es ging voran. Irgendwann kam dann Jenny zu uns, eine in Westafrika lebende Auswanderin aus Berlin, die eine deutschsprachige Gruppe suchte. Jenny ist mittlerweile seit 2 Jahren Teilnehmerin in der virtuellen Selbsthilfegruppe.

Zwischenzeitlich bekam ich über das Suchtselbsthilfe Büro Osthessen einen unbegrenzten Account bei BigBlueButton, die Kosten hierfür übernahm die Parität. Mittlerweile habe ich einen Zugang über die Guttempler in Deutschland, die auch die Kosten übernehmen und die virtuelle Gesprächsgruppe auf Ihrer Homepage www.guttempler.de gelistet haben.

Inzwischen sind wir eine Stammgruppe von 8 Personen aus allen Bundesländern sowie Belgien und Gambia. Wir haben jede Woche neue Anmeldungen zur Gruppe mit verschiedenen Konsum-Störungen, Betroffene sowie auch Angehörige.

Die virtuelle Selbsthilfegruppe ist gewissermaßen barrierefrei, da Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung, wie z.B. Sozialphobie, ohne ihr Haus zu verlassen, daran teilhaben können. Auch interessant ist die Gruppe für Reisende oder andere Menschen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung.

Die SoberGuides agieren bundesweit. Ich erkläre es mal anders: Weil ein SoberGuide aus NRW die Vorstellung der SoberGuides in einer Klinik in RLP macht, findet ein Saarländer zu uns in die virtuelle Gruppe.

Viele Grüße

SoberGuide Franky

Bilanz:

3 Teilnehmende haben eine Langzeittherapie begonnen bzw. abgeschlossen.

2 Teilnehmende sind Mitglied bei den Guttempler geworden. LV Berlin und LV Schleswig-Holstein

3 Teilnehmende haben sich entschlossen SoberFriends zu werden.

Und einer macht jetzt die Ausbildung als SoberGuide.

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Aktuelles

Unzufriedenheit ist der 1. Schritt zum Rückfall!

Ich glaube, es gibt mindestens so viele Gründe Alkohol oder andere Suchtmittel zu konsumieren, wie Menschen, die ihrem Suchtmittel verfallen sind. Dennoch schiebt sich einer der vielen Gründe für mich immer wieder in den Vordergrund.

Die Unzufriedenheit!

Ich weiß nicht von wem der folgende Spruch kommt, dennoch spiegelt er meine gemachten Erfahrungen wider.

„Unzufriedenheit ist der erste Schritt zum Rückfall!“

Ein Satz, dem eine gewisse Logik innewohnt. Und wenn wir den Grund dafür schon wissen, sollte es doch ein Einfaches sein, ihn abzustellen.

Der Satz lässt sich übrigens auch auf nicht abhängig konsumierende Menschen anwenden, denn auch diese können zurückfallen. Ich glaube jeder Mensch hat Gewohnheiten und Mechanismen, die in der Kindheit durchaus sinnvoll gewesen sind und uns bis in unser erwachsenes Leben begleiten. Leider hindern uns diese Gewohnheiten und Mechanismen daran, auch erwachsen zu handeln. Dabei ist es egal um welches Problem es geht, wir verhalten uns mit diesen, uns liebgewordenen Gewohnheiten, nicht erwachsen und handeln nicht nachhaltig!

Der Umgang mit uns selbst ist eben oftmals nicht einfach. Ich glaube es gibt mindestens 2 Arten von Unzufriedenheiten. Die erste nenne ich einmal „den schnellen Ärger“. Er tritt plötzlich auf und nach einer relativ kurzen Zeit finden wir eine Lösung für diesen Ärger und können ihn abstellen. Damit will ich nicht sagen, dass er nicht zu einem Rückfall führen kann. Wenn ich mir einen Menschen vorstelle, der erst vor Kurzem den Ausstieg aus dem Konsum geschafft hat, den kann ein Unfallschaden am Auto schon aus der Bahn werfen, während ein in seiner Abstinenz gefestigter Mensch vom Ärger durchgeschüttelt wird, er kurz darüber nachdenkt und die nötigen Schritte einleitet. Nach ein paar Tagen stellt er fest, dass der Ärger verflogen ist und flammt höchstens noch einmal kurz auf, wenn das Gespräch darauf fällt.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal eine Lanze für die Selbsthilfegruppen brechen. Gerade Menschen, die sich noch nicht so lange auf dem Weg in die dauerhafte Abstinenz befinden, können dort aufgefangen und gestärkt werden. Die Selbsthilfegruppe bietet eine Form, wo ich meine Gefühle auf den Tisch legen kann. Ärger ist ein mächtiges Gefühl, da es oft mit der Angst den Ärger nicht bewältigen zu können einhergeht. Ich darf dort mal meinen „seelischen Müll“ abladen, ich darf an den gemachten Erfahrungen der anderen Gruppenmitglieder teilhaben und kann mir aus diesen Erfahrungen das für mich Beste herausnehmen. Vielmals haben Männer ihre Probleme damit zuzugeben, dass sie gefühlsmäßig angeschlagen sind. Da wir immer noch überwiegend in einer Gesellschaft leben, in der die Rollen klassisch auf die Geschlechter verteilt sind, das beobachte ich jedenfalls in den Gruppengesprächen, schwebt bei Männern im Hinterkopf, ich darf nicht schwach sein. Schwäche wird vielfach mit „sich nackig machen“ gleichgesetzt. Als „Nackter“ bin ich angreifbar, schwach und verletzlich. Wer verletzt wird empfindet Schmerz – es ist ein Teufelskreis. Ich spüre instinktiv oder beobachte bei anderen, das Offenheit oftmals Erleichterung und bringt und dies zur Lösungsfindung beiträgt. Dennoch hindert mich meine Angst, die mit dem Ärger einhergeht, am sinnvollen Handeln.

Leider ist ein Umdenken mit sehr viel eigener und auch schmerzhafter Arbeit an meiner Persönlichkeit verbunden. Das Gute ist, diese Persönlichkeitsarbeit kann ich mir durch die regelmäßigen Gruppenbesuche erleichtern.

Die zweite Möglichkeit für Ärger nenne ich mal den „unterschwelligen Ärger“. Der hat die Angewohnheit sich in unser Leben einzuschleichen. Nun kennen wir es aus unzähligen Cowboy- und Indianerfilmen, wer sich anschleicht wird oftmals zu spät erkannt. Dies ist der Ärger, der in seiner Art fast unmerklich, aber sehr hartnäckig ist. Hat er erst einmal zugebissen, lässt er nicht mehr los. Er beißt immer wieder in die gleiche Stelle und fängt an zu nerven, ohne sich als wahre Ursache erkennen zu geben. Er wirkt im Untergrund unseres Bewusstseins. Dies macht es uns so schwer, die wahre Ursache für unsere wachsende Unzufriedenheit zu erkennen. Viele „Macken“ aus meiner Saufzeit habe ich in meine bis heute andauernde Abstinenzphase mitgenommen und auch einige Überlebensstrategien aus der Kindheit mögen mit dabei sein.

Eine davon, welche auch mit zu meiner Abhängigkeit geführt hat, ist nicht NEIN sagen zu können. Sehr oft aus Bequemlichkeit, vielfach aus Angst vor Ablehnung oder aus Angst ausgeschlossen zu werden, habe ich in Situationen ja gesagt, wo ich hätte, nein sagen sollen. Ich habe mich selbst vergewaltigt. Mich überredet bzw. gezwungen etwas zu tun, was ich nicht wollte. Ein solches Verhalten ist auf Dauer krankmachend.

Die Lösung ist so einfach wie schwer zugleich. Achtsam und behutsam mit mir selbst umgehen, mich selbst und meine inneren Widerstände wahr- und ernst zu nehmen. Nur wenn ich innehalte und auf mich achte, kann ich die kleinen körperlichen und psychischen Reaktionen spüren. Nur dann habe ich mir die Chance geschaffen darauf angemessen zu reagieren. Nicht angstgesteuert, sondern aus der Achtsamkeit, Vernunft und Ruhe heraus.

Nichts ist so schwer wie dies zu verändern. Sich zu erspüren und dann adäquat darauf zu reagieren. Viele Menschen macht es so große Angst, dass sie sich lange gegen wirkende Maßnahmen sträuben. Das wissen wir, die wir aufgehört haben Suchtmittel zu konsumieren nur zu gut. Wir haben lange alle möglichen Ausreden gefunden um das Suchtmittel, in meinem Fall der Alkohol, nicht bei Seite zu stellen müssen.

Als Moderator einer Selbsthilfegruppe stelle ich diese Widerstände immer bei noch Konsumierenden, wie auch bei deren Angehörigen fest. Sie verteidigen sich und ihre Krankheit bis zum Schluss, der Kapitulation.

Ich möchte hier den römischen Philosophen Lucius Annaeus Seneca einmal anders zitieren. Er hatte gesagt:

„Niemand ist so ängstlich, dass er lieber immer hängt als einmal fällt.“

Ich möchte auf uns Abhängige, deren Angehörige und anderen Menschen mit hartnäckigen Gewohnheiten bezogen sagen:

„Die Angst kann so mächtig sein, dass er lieber länger hängt als einmal fällt.“

Seien wir also achtsam mit uns und gehen wir behutsam mit uns um.

Liebe Grüße, euer Gerald

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„Jeden Vorteil erkaufe ich mir mit mindestens einem Nachteil oder in jedem Nachteil steckt immer auch ein Vorteil.“
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Kühlschrank

Als ich eben die Kühlschranktür öffnete, wurde es laut. In mir, in meinem Kopf. Ein vollgefüllter Kühlschrank mit so vielen leckeren Dingen, randvoll gefüllt. Das muss in etwas so sein, als würde ein Alkoholiker an der Bar stehen, all die leckeren Flaschen dort stehen und hängen sehen –und das Denken setzt aus. Die „Ess-Sucht“ ist die einzige Sucht, die nicht abstinent gelebt werden kann. Während Alkoholiker die Bar meiden, Drogenabhängige sich ein anderes Umfeld suchen, muss ich mit der täglichen Verführung fertig werden, denn essen muss ich mir täglich irgendwie trotzdem zuführen, nur im „geregelten Maß“.

Nur wie kommt man dahin?????

Ich kann zwei Unterschiede ausmachen – und erhebe damit nicht den Anspruch auf Korrektheit oder Vollkommenheit. Und die Unterschiede gelten für alle Suchtformen, nicht nur für die Esssucht!

Der erste Unterschied: Unbewusst! Ausgeknipst! Weggebeamt!
Es passiert automatisch, der Griff zur Schokolade. Ich nehme das oftmals gar nicht wahr, wenn ich beim Fernsehgucken eine ganze Tüte Chips wegfuttere. Den Nachteil, dass ich nicht viel davon genossen habe, nehme ich dann in Kauf. Ich bin wie weggebeamt, wenn ich die Kühlschranktür öffne, weil ich Mandelmilch für meinen Kaffee haben wollte, und dann gewohnheitsmäßig zu einer Leckerei greifen. Ich war ja eh grad hier und „es“ steht da ja eh so rum. Ich bin wie ausgeknipst, als ob es da ein Leben mit Bewusstsein gibt und eines ohne. Ausgeknipst, weil der Teil meines Gehirns die Regie übernommen hat, der für gewohnheitsmäßiges Handeln
zuständig ist – und in diesem Teil ist keine Ressource für Logik und Überlegen. Dieser Teil hat einfach mal die Erfahrung gemacht, dass es ja cool ist, zu essen (oder zu trinken, zu kiffen, zu shoppen, zu arbeiten, zu spielen…..) weil dann der Druck von dem, was grad war, vermindert wurde. Das Hirn will uns ja beitragen. Als das nächste Mal so ein Druck entstand aus mannigfaltigen Gründen, erinnerte sich das Hirn…“oh, das Essen hat ja letztes Mal geholfen…wollen wir nicht wieder??“ Und Zack, so entsteht eine Sucht.
Mittlerweile ist dieser Pfad der Gewohnheit so ausgetreten wie eine siebenspurige Autobahn.

Der zweite Unterschied: Ich habe irgendwie alles gedacht – und geglaubt – was mir so durch mein Hirn schoss. Ich kam gar nicht auf die Idee, das zu hinterfragen oder anzuzweifeln. Denn wenn die Gedanken so dringend daherkommen, müssen sie eine Relevanz haben, eine Bedeutung, da muss ich reagieren. Und oftmals waren es ja nicht so saubere, klare Gedanken, meist nahm ich nur so ein Gedanken-Gefühl-Brei wahr und hätte niemals nur einen Gedanken gefunden, der nur der Auslöser hätte sein können. Und oftmals ist es auch nicht nur ein Gedanke. Das Problem hierbei: Jeder Gedanke hat ein Gefühl anhängend. Wenn ich mir also des Gedankens nicht bewusst bin, so erscheint aber das Gefühl auf der Bildfläche. Und da ist wieder das Ding mit den Gefühlen: schlechte Gefühle will ich ja nicht haben. Da ich nicht gelernt habe, das anders zu managen, greife ich zum Suchtmittel.

Wo ist nun also die Lösung?

Ich kann nur über meine Lösung schreiben. Sie liegt nicht in der Willensanstrengung. Jeder Süchtige hat schon versucht, mit Willensanstrengung gegen die Sucht anzukämpfen, manchmal gelang es eine Zeitlang, manchmal nicht. Dann kommen ja wieder Bewertungen obendrauf: „Versager, nicht mal dazu bist du in der Lage. Hoffnungsloser Fall, versuch es erst gar nicht mehr…“

Kennste?

Ich habe herausgefunden, dass ich zu viel im Kopf war – und oft noch bin.
Eine Situation ist, wie sie ist, ganz neutral. Ich bewerte diese Situation aber, bin im Widerstand, obwohl die Situation schon IST, sie kommt ja nicht erst. Mit diesem Widerstand und den Urteilen, Bewertungen und Projektionen erschaffe ich mir aber meine Gefühle selbst! Wenn ich das erkenne, habe ich auch die Wahl, diese Gedanken NICHT zu denken. Das war eine wahre Offenbarung für mich, eine wahre Erkenntnis. Das Leben passiert, ob mir das nun gefällt oder nicht. Wenn ich das Leben einfach machen lasse und weniger bewerte, urteile, Angst vor zukünftigen Ereignissen im Kopf generiere, die EINE mögliche Zukunft darstellen, aber sicher nicht die einzige! – dann bin ich mehr in der Lage, WENIGER zu machen. Zurückzutreten, einfach mehr zu beobachten. Heute nenne ich es gern, einen „inneren Screenshot“ machen.
Was ist eigentlich wirklich da? JETZT! Ohne meine Urteile, ohne meine Geschichte, die ich mir und anderen dazu erzähle? Ohne in der Zukunft zu verweilen oder immer wieder Referenzpunkte der Vergangenheit hervorzuholen. Die Vergangenheit ist bereits VERGANGEN, ich krame diese Erinnerung nur immer wieder hoch und weide mich in Verletzungen und Schmerzen, die schon längst vorbei sind. Und ganz ehrlich: Da ist meistens wenig. Und plötzlich kann ich durchatmen, habe mehr Raum, die Enge verlässt mich. Ich kann es auch nicht machen, bewusster vor dem Kühlschrank zu stehen. Wenn ich das können würde, hätte ich das ja schon längst getan. Aber indem ich erkennen, dass es eine Gewohnheit ist, sehr familiäre Gedanken, die ich nie überprüft oder hinterfragt habe, weil sie gefühlt „schon ein Leben lang bei mir waren“ – kann ich mir eine Frage stellen, die auch heute immer mehr durchkommt in mein Bewusstsein.
„Warum will ich jetzt essen? Habe ich wirklich Hunger?“
Wenn es kein Hunger ist, ist es wieder irgendein Gefühl – aufgrund irgendeines unbewussten Gedankens – dass ich nicht spüren will.

Meine aktuelle Lösung für heute: ich will spüren, ich finde die Gefühlspalette mittlerweile spannend und keineswegs beängstigend. Das Gefühle bedrohlich sind, etwas, vor dem man Angst haben muss, ist AUCH nur ein Gedanke!

Und – ich habe die Kühlschranktür vorhin wieder schließen können, ohne mehr als die Mandelmilch herauszunehmen.

Eure Kerstin

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Sucht im Alter

Was ist anders bei einer Suchterkrankung im Alter?

Da ich selbst noch in der Zeit beruflicher Tätigkeit meinen Weg aus der Alkoholabhängigkeit gefunden habe, habe ich in den ersten Jahren meiner Mitarbeit in der Suchtselbsthilfe nicht so wirklich wahrgenommen, dass die Sucht im Alter nochmal einen ganz anderen Ansatz in der Suchtselbsthilfe erfordert.

Wer in den Ruhestand geht, verliert oft das Gefühl gebraucht zu werden, fühlt sich nutzlos und häufig ist der Alkohol ein vermeintlicher Trost. Viele ältere Menschen leben als Single und haben oft auch keine Familie, die ihnen eventuell Halt geben könnte. Umso wichtiger ist es, diesen Betroffenen eine Möglichkeit aufzuzeigen, wie sie sich aus ihrer Abhängigkeit befreien und auch im fortgeschrittenen Alter, Freunde und neue Aufgaben finden können.

Denn auch wissenschaftliche Studien belegen, dass die Suchtproblematik mit steigendem Lebensalter nicht ab, sondern sogar – entgegen vieler Einschätzungen – zunimmt. Und dass, obwohl ältere Menschen mit der Wirkung von Alkohol bereits vertraut und in der Regel bereits einen maßvollen Umgang mit Suchtmitteln gefunden haben. Studien zu Folge werden in den älteren Generationen vor allem Alkohol und Medikamente missbräuchlich konsumiert.

In der Folge des gestiegenen Konsums vernachlässigen viele Menschen ihre Interessen und neigen aufgrund der veränderten Körperfunktionen im Alter, in Verbindung mit der Wirkung von Alkohol wie Gleichgewichts- und Konzentrationsstörungen, vermehrt zu Stürzen oder anderen Unfällen. Zudem nimmt auch die Alkoholverträglichkeit durch die veränderten Stoffwechsel- und Verdauungsprozess mit zunehmendem Alter ab.

Die Gründe einer Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit bei Senioren und Seniorinnen sind vielfältig. Oftmals sind es jedoch Einsamkeit, das Gefühl nicht mehr gebraucht zu werden, Schicksalsschläge wie schwere Erkrankungen, der Tod von Freunden, des Partners oder der Partnerin sowie die Überdosierung bestimmter Medikamente wie Schmerz- und Schlafmittel, die eine Suchterkrankung bedingen können.

Der Prozess vom Alkoholgenuss auf Feiern bis hin zur Sucht verläuft dabei oftmals schleichend und nicht selten wird eine bestehende Suchterkrankung ins Rentenalter mitgenommen. Viele ältere Menschen trinken lange Zeit in einem gesellschaftlich akzeptierten Rahmen. Sie trinken am Abend ein Glas Bier oder Wein, verlieren dann aber zunehmend die Kontrolle über ihren Konsum und versuchen fehlende Zuneigung oder Anerkennung zu kompensieren.

Meine eigenen Erfahrungen


Mein verstorbener Schwiegervater war jahrelang alkoholabhängig. Sein Konsum veränderte sich im Laufe seines Lebens. Als er berufstätig war und meine Schwiegermutter noch lebte, war er ein mäßiger Spiegeltrinker. Im Anschluss wurde er zum Quartalstrinker mit totalem Kontrollverlust nach dem Renteneintritt. Danach und auch nach dem frühen Tod seiner Frau, war es uns nicht mehr möglich, ihn davon zu überzeugen, dass ein Leben ohne Alkohol für ihn besser ist.

Ich hatte immer den Eindruck, dass er nicht erkennen konnte – oder wollte – dass ein Dasein ohne Bier und Korn erstrebenswert ist. Meiner Einschätzung nach waren ihm maximal die gesundheitlichen Gründe gekannt.  

Er hätte den Kontakt zu seinen Skatbrüdern im Schrebergarten verloren und auch seine früheren Arbeitskollegen würden ihn nicht mehr besuchen. Wie er mir einmal anvertraute, war auch seine 2. Ehefrau mit ein paar Promille leichter zu ertragen. Seine Argumente waren für mich, einen zufriedenen trockenen Alkoholiker, nicht nachzuvollziehen und weder meine Frau noch ich konnten damals etwas entgegensetzen – zumindest nichts, was ihn überzeugt hätte. So ist er leider viel zu früh verstorben, ohne seine Sucht besiegt zu haben.

Für jüngere Abhängige ändert sich meist sehr viel, wenn sie abstinent werden, aber ich denke gerade die Älteren müssen mehr „an die Hand genommen werden“ um zu erkennen, dass es sich in jedem Alter lohnt, sich aus jedweder Abhängigkeit zu befreien und ein Leben ohne Suchtmittel zu genießen. Gerade alleinlebende Menschen mit einer Suchtproblematik sind oft schwer zu erreichen. Wenn sie dann aber doch den Weg zu uns finden, sollten gerade sie von uns Allen besonders herzlich und mit großer Fürsorge aufgenommen werden.

Ich freue mich auf Eure Kommentare und Nachrichten,

Euer Harald2

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Das verdammte Ding mit den Gefühlen

Das schwierigste, wenn man aus einer Sucht aussteigt, ist nicht die Enthaltsamkeit, wie ich finde oder die Abstinenz.
Das Schwierige, finde ich, ist das „Ding“ mit den Gefühlen.
Warum hat mir das niemand beigebracht?
Gut, meine Eltern wussten es auch nicht besser.

Ich lernte, besser mit meinen Gedanken umzugehen.
Ich wurde BEWUSSTER.
Heute würde ich sagen, dass ich in den Zeiten, wenn ich meiner Sucht nachging, in keinerlei Verbindung mit mir war. Wie ausgeknipst.
Das weiß ich deshalb so genau, weil ich den Unterschied erkennen kann, wenn ich heute in einer bewussten Verbindung zu mir bin.
Deshalb behaupte ich ja auch, dass ich nicht die Enthaltsamkeit an sich schlimm finde, sondern mein Unvermögen, anders mit meinen Gefühlen umzugehen, als sie mit meinem Suchtmittel zu versuchen zu betäuben.
Es geht ja selten um die Substanz an sich, es geht ja immer um die Wirkung des Suchtmittels in unserem Leben.
Und warum nehmen wir Suchtmittel, ob Stoffgebunden oder ungebunden? Weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass uns diese verflixten Gefühle dann nicht so nahe kommen. Gefühle können einem eine Scheiß-Angst machen!!
Es gibt eine Stelle in der Geschichte „Alice im Wunderland“, wo ein gruseliges Schattenmonster Angst verbreitet. Doch genauer hingeschaut konnte man erkennen, dass es nur ein kleiner Wicht war, der durch geschickte Lichtverhältnisse und windgebauschtem Vorhang riesig groß wirkte. Vielleicht ist das mit unseren Ängsten ja genauso? In unseren Gedanken sind wir das schon zig mal durchgegangen, jedes Mal wurde die Angst noch größer. Aber haben wir uns wirklich schon einmal herangetraut?
Ganz ehrlich? Meiner Meinung nach, wenn wir uns nach einem authentischen, tiefen, ehrlichen und erfüllten Leben sehnen, kommen wir nicht umhin, uns endlich mal mit unseren Gefühlen zu beschäftigen. Und nur da liegt die Lösung. Nicht weglaufen, sondern bleiben. Fühlen. Aushalten.

Meine Erfahrung: Es ist in meinen Vorstellungen und Angstgedanken alles viele schlimmer, als es letztendlich ist.
Gefühle kann man aushalten und fühlen, das schaffen anderen Menschen auch. Wir müssen es halt einfach mal zulassen und ein wenig üben.
Tatsache: Nach Kontakt mit den Gefühlen gibt es keinen Kater wie beim Alkohol. Es kann eine Klarheit und Offenheit erreicht werden, die mit Alkohol oder anderen Substanzen nie erlebt werden kann. Ja, es ist verwirrend. Es erscheint einfacher, müheloser, sich zu betäuben. Aber dann leben wir unser Potential nie voll, nie ganz.

Eure Kerstin

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Über Menschen mit Essstörungen

Adipositas gilt seit 2020 als anerkannte Krankheit, BingeEating wird schon seit über 20 Jahren als eigenständige Diagnose aufgeführt. Essstörungen können zu erheblichen gesundheitlichen Schäden beitragen und sowohl Magersucht, durch die absolute Verweigerung des Essens, als auch Adipositas, durch übermäßiges Essen, zum Tode führen.

Wie jede andere Sucht auch, hat auch das unkontrollierte oder zwanghafte Essen seine ganz individuellen Gründe.
Die folgende Dokumentation von arte mit dem Titel „Dick, dicker, fettes Geld“ soll zu Diskussionen und Gesprächen über die Thematik anregen.

Vielleicht können wir so gemeinsam die Frage beantworten, was es braucht, um den Druck nach Essen ohne Hunger zu minimieren.

Ich freue mich über Eure Beiträge und Nachrichten!

Eure Kerstin

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Einfach loslassen

Veränderung tut gut, um sich von Routinen und Verhaltensweisen zu verabschieden, die Ihnen nicht guttun. Wie Sie das erreichen, kann unterschiedlich sein. Sie können sich einen guten Vorsatz vornehmen oder grundsätzlich mehr Gelassenheit in Ihr Leben bringen. Probieren Sie aus, welcher Weg zu Ihnen passt.

Für sich Sorgen

Bewusst machen, was belastet

Bevor Sie etwas ändern, formulieren Sie was Sie im Alltag stark belastet. Das kann zu viel Stress bei der Arbeit sein, schlechte Ernährung, zu wenig Bewegung oder zu viel Medienkonsum. Oder aber allgemeine Probleme, wie aufreibende Beziehungen, finanzielle Sorgen oder negative Gefühle bestimmten Menschen gegenüber.

Verbesserung ist noch besser! Diese Anregungen können Ihnen helfen, Vorsätze umzusetzen und Ziele zu realisieren.

Ein Vorsatz reich: überfordern Sie sich nicht. Konzentrieren Sie sich nur auf ein Ziel, zum Beispiel mehr Bewegung. Kleine Etappen zu formulieren hilft. Sie sorgen für Erfolgsmomente.

Vorab informieren: nicht nur das Ziel sollte klar sein, auch der Weg dorthin. Kleine greifbare Ziele, kurz aber auch langfristig setzen. Sie können beispielsweise regelmäßig Sport treiben? – Welche Vereine gibt es in der Nähe, was bieten die Guttempler und SoberGuides an, was lässt sich im Park oder in der näheren Umgebung umsetzen? Schreiben Sie ihr Vorgehen auf und notieren Sie, was Sie erreichen wollen.

Vorteile erkennen: schreiben Sie auf, was Sie davon haben, wenn Sie Ihr Ziel verfolgen. Mehr Bewegung bedeutet zum Beispiel, sich wohler und fitter zu fühlen, abzunehmen und gesundheitlichen Problemen vorzubeugen.

Routine etablieren: der gute Vorsatz muss zur Routine werden. Führen Sie Ihn regelmäßig aus, am besten täglich mit kleinen Ritualen und Achtsamkeitsübungen. Markieren Sie in einen übersichtlichen Jahreskalender jeden Tag mit Smiley oder Ähnlichen, an dem Se etwas für Ihren Vorsatz getan haben, oder überlegen sich ein neues, ein anderes Ritual, das Ihnen Ihre Erfolge vor Augen führt.

Belohnen: gönnen Sie sich nach einem Zwischenziel eine Belohnung, das motiviert Sie – kein Alkohol oder Nikotin – eher eine gesunde Freizeitgestaltung mit Eis oder Tee.

Weitererzählen: sagen Sie der Familie, Freunde, Kollegen und Bekannten, was Sie vorhaben. Die motivieren Sie, und das wiederum treibst Sie an, es zu schaffen.

Gemeinsam ist besser: es ist leichter, ein Ziel in der Gruppe umzusetzen. Sie spornen sich gegenseitig an und fühlen sich verpflichtet, Termine einzuhalten.

Dranbleiben! Misserfolge gehören dazu, begraben Sie deshalb nicht sofort Ihren Vorsatz. Kommt Misserfolg häufiger vor, müssen Sie vielleicht was an der Methode ändern. Eine Gewohnheit zu durchbrechen, ist kein einfacher Weg. Wir wachsen mit neuen Herausforderungen. Tue gutes und rede drüber, wir sind für Euch da.

Viel Erfolg, eure Katrin.

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Kerstin über Ess-Störungen

Was genau ist eigentlich eine Essstörung?

Essstörungen sind ernsthafte Erkrankungen, durch die der Umgang mit dem Essen und das Verhalten zum eigenen Körper gestört sind. Es gibt vier große Hauptkategorien von Essstörungen. Es gibt aber auch noch einige mehr.

  1. Adipositas – krankhafte Fettsucht (ab einem bestimmten Body-Maß-Index (BMI = Körpergewicht in Relation zur Körpergröße)). Spannend hierbei, dass dieser BMI mehr oder weniger willkürlich von einer US-amerikanischen Lebensversicherung eingeführt wurde, um zusätzliche Risiken durch Übergewicht zu erfassen. Adipositas ist seit 2020 eine anerkannte Krankheit.
  2. Magersucht (Anorexia nervosa) – ist eine schwere Störung des Essverhaltens. Charakteristisch ist eine permanente Angst, Gewicht zuzunehmen. Die Betroffenen sind extrem dünn und Untergewichtig. Die Körperwahrnehmung ist derart gestört, dass sich diese extrem dünnen Menschen als dick wahrnehmen.
  3. Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) – Charakteristisch für diese Form der Essstörung ist, dass die Betroffenen ein unkontrolliertes Verlangen nach Essen haben und anschließend das Essen wieder erbrechen. Zu dem Krankheitsbild gehört auch ein Missbrauch von Abführmitteln, um
    das Gewicht zu reduzieren. Oft aber auch ein übersteigertes, exzessives Verlangen nach körperlicher Bewegung, um Gewichtzunahme zu verhindern. Die Bezeichnung „nervosa“ deutet auf die psychische Komponente hin.
  4. Binge-Eating-Störung – hier handelt es sich um immer wiederkehrende, unkontrollierte Essanfälle bis hin zur Schmerzgrenze, wo innerhalb kurzer Zeit exzessiv übermäßige Nahrungsmengen zu sich genommen werden. Auch das typische „Grasen“ ist ein Symptom. Dies bedeutet, dass der Betroffene den ganzen Tag am Essen ist und nicht nur zu den (Haupt)Mahlzeiten. BES Wird erst seit einigen Jahren als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt.

Wirft man einen Blick auf Statistiken, dann ist zu erkennen, dass die Anzahl der an Magersucht erkrankten Personen in den letzten 10 Jahren um 30% gestiegen ist. Hier klicken, um zur entsprechenden Statistik zu gelangen.

Zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen sind laut RKI (Robert-Koch-Institut) übergewichtig, ein Viertel der Erwachsenen Personen in Deutschland leidet unter Adipositas, das sind über 20 Millionen Menschen. Hier klicken, um zur entsprechenden Statistik zu gelangen.

Meine eigene Erfahrung?

Das Thema rund um Essstörungen ist stark schambehaftet. Zum einen ist es beschämend, wenn man in die Stühle im Café nicht reinpasst oder, wenn man sich hineinzwängen konnte, beim Aufstehen aber drin hängen bleibt. Ebenso beschämend ist es, wenn die Stewardess im Flugzeug eine Gurtverlängerung holen muss. Oder wenn im Jeansladen die Verkäuferin mit einem geringschätzenden Blick verkündet, dass es in meiner Größe hier wohl nichts für mich geben wird. Denn die landläufige Meinung lautet, dass dicke Menschen einfach nur disziplinlos sind.

„Friss doch einfach weniger, dann haste auch keine Probleme!“

Die Gründe für eine Essstörung sind jedoch vielfältig, vielschichtig und individuell sehr unterschiedlich. Da könnte der geringe Selbstwert eine Rolle spielen, ebenso wie Perfektionismus, Leistungsansprüche, Kontrollbedürfnis, eine geringe Konfliktfähigkeit und auch traumatische Erlebnisse wie Misshandlungen oder Missbräuche.

Behandlungsmöglichkeiten gibt es viele. Oftmals wird bei der Adipositas am Ende durch operative Eingriffe (ab einem bestimmten BMI) eine Magenverkleinerung vorgenommen.

Meine persönliche Meinung?

Bei der Essstörung wird das Essen als Ersatz genommen. Genau wie bei jeder anderen Sucht gibt es einen Druck. Der oder die Betroffene hat das Gefühl den Druck nicht aushalten zu können. Dann „springt die Sucht ein“. Das Suchtmittel lenkt ab, betäubt, verschafft einen Zeitaufschub. Das gilt meiner Meinung nach genauso für substanzlose Süchte wie Internetsucht, Kaufsucht, Arbeitssucht, Spielesucht, Sexsucht oder Pornosucht …. .
Über einen (meistens) sehr langen Zeitraum haben wir uns diese Verhaltensweisen antrainiert. Da kommt der Brief vom Finanzamt, löst ungute Gefühle aus, weil ich eine schlechte Nachricht befürchte, damit ich mich mit dem Gefühl nicht auseinandersetzen muss, greife ich zur „Droge“, zum Suchtmittel. Es gab einen Streit mit dem Partner, ein unangenehmes Gefühl, Stress auf der Arbeit, eigene Leistungsansprüche. Die Gründe, weshalb jemand zum Suchtmittel greift, sind unzählig!

Der Lösungsansatz?

Natürlich kann man „im außen“ nach Lösungen suchen. Eine Verhaltenstherapie machen, Diäten, Operationen, Psychotherapie, Traumatherapie und einiges mehr.

Meine persönliche Erfahrung?

Meiner Ansicht nach kann die Lösung für eine Essstörung nur in jedem Menschen selbst gefunden werden. Ich kann meine Werte überprüfe, ob das wirklich meine eigenen Maßstäbe sind oder ob ich mir Werte „der Gesellschaft“ anzueignen versuchen, die ich nie erfüllen kann. Dazu gehören beispielsweise einem vermeintlichen Schönheitsideal zu entsprechen oder ein gewisses Männerbild oder Frauenbild im Kopf zu haben, welches perfektionistisch sein könnte und nie dem Ideal des Menschen selbst entspricht. Das Selbstwertgefühl nicht von der Anerkennung der Menschen um einen herum abhängig zu machen, ebenso wie die Liebe nicht vom anderen zu erwarten oder zu hoffen, dass andere Menschen einen glücklich machen. Bereit sein zur Vergebung und dazu, die Vergangenheit und alle Vergeltungsgefühle loszulassen. Und letztendlich die Gefühle nicht weiter zu verdrängen. Stattdessen sich der Angst vor Gefühlen zuwenden, die Gefühle zuzulassen und fühlen.

Eure Kerstin

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Mein Leben mit einer abhängigkeitserkrankten Person

Unsere SoberGuides Angela und Katrin im Gespräch

Angela: Wie sieht mein Alltag mit einem „hilfebedürftigen“ Menschen aus?
Sogenannte Co-Abhängige haben meist ein Verhalten gelernt, das mit der Aufmerksamkeit bei „Anderen“ liegt und die Fürsorge für sich selbst hinten anstellt.
Wie geht es dir momentan mit deinen eigenen Bedürfnissen und Kräften?
Was stützt dich persönlich in deinem Alltag, was hilft dir dein Leben zu bewältigen?
Wenn dich ein anderer Angehöriger oder Mitbetroffener fragen würde, was tut dir gut tut, was würdest du ihm sagen?
Welche ungelösten Themen und Fragen hast du im Zusammenleben mit einem Suchterkrankten/Abhängigkeitserkrankten?

Katrin: Es kann unglaublich schwer fallen zu erkennen, hauptsächlich andere Menschen im Fokus zu haben. Die Gründe sind vermutlich genau so vielfältig, wie wir Menschen. Es lohnt sich trotzdem genauer hinzuschauen: Sind es Kindheitsprägungen? Glaubenssätze ANDERER Menschen, die ich ohne Überprüfung übernommen habe?
Oft dient es auch dabei „sich selbst zu vermeiden“. Ist es doch so viel angenehmer andere zu beobachten, Ratschläge zu erteilen und zu bewerten.
Wenn uns die Motive BEWUSST sind, ist es auch in Ordnung, dann hatte ich eine Wahl und habe eine Entscheidung getroffen.
Schwierig bleibt es aber, wenn ich nicht weiß, warum ich immer wieder in die gleichen Fallen gerate.

Angela: Ja spätestens als ich wahrgenommen habe, dass ich immer wieder an „die selbe Art Menschen“ gerate und mit ihnen immer wieder ähnliche Themen und Schwierigkeiten hatte, merkte ich langsam, dass es nicht nur an den Anderen liegen kann. Ich fing an nachzudenken und nachzuforschen woran das liegen könnte. Und ich entdeckte, dass ich schon als Kind die Aufgabe übernehmen musste, das Gleichgewicht in der Familie zu wahren, indem ich auf meine psychisch kranke Mutter „Rücksicht“ nahm und dabei meine Bedürfnisse zurückzustellen lernte.

Katrin: Ich würde sogar behaupten Probleme in Beziehungen liegen zum größten Teil bei uns selbst. Wir mögen aber viel lieber dem anderen die „Schuld“ geben.
Ist es denn nicht: MEINE Sicht der Dinge? MEINE Erwartungshaltung? MEIN Mangel, den mein Partner auffüllen soll?
Wenn mir in der Beziehung etwas fehlt, kann ich verlangen, der andere soll es mir geben, soll sich ändern? Oder ist es dann nicht mein Part etwas zu verändern?

Und welche Ansicht hast du dazu?

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Das Familienmobile der Abhängigkeiten

Das Bild des Familienmobile`s verdeutlicht für mich, wie Abhängigkeit und Co-Abhängigkeit miteinander verbunden sind und sich gegenseitig bedingen.

Ausgangspunkt ist eine Familie, in der es eine*n Abhängigkeitserkrankte*n und viele Co-Abhängige Familienmitglieder gibt. Nach meiner Erfahrung, die ich bisher im Rahmen meiner Selbsthilfearbeit gemacht habe, ist die Konstellation aus einem abhängigkeitserkrankten Vater und den verbleibenden Familienmitgliedern als Co-Abhängige stärker ausgeprägt als bei einer abhängigkeitserkrankten Mutter. Als Co-Abhängige halten Frauen oftmals länger fest und übernehmen gleichzeitig mehr Verantwortung. So kann das Bild von einer heilen Familie nach außen meist länger aufrechterhalten werden. Die Familienmitglieder sind wie durch ein Band miteinander verbunden, aber auch abhängig von ihrer Umgebung. Ähnlich wie bei einem Mobile, reagieren sie mit- und aufeinander.

Ein Mensch, der aus seinem Gleichgewicht gebracht wird, versucht automatisch seine Balance wieder zu finden. Stehen beispielsweise zwei Menschen auf einem großen Trampolin und bewegt sich eine*r der beiden, versucht die/der andere diese auf ihn wirkende Bewegung auszugleichen, um nicht zu Falle zu kommen. Wenn diese Interaktion nicht nur unter zwei Menschen stattfindet, sondern unter Familienmitgliedern, wird es ungleich komplizierter.

Zurück zum Mobile – wenn sich in den Verknüpfungen und den familiären Verbandelungen des Familienmobile`s eine Person bewegt, kommen alle in Bewegung. Das ist in einer ungestörten Familie bereichernd. Jede Person trägt zum Gleichgewicht des Mobile`s bei und erfährt gleichzeitig, das Bewegung nichts schlechtes ist, sondern eher Entwicklung und Fortschritt bedeutet. So werden Zusammenhalt und Verbindungen untereinander gestärkt.

Im Gegensatz dazu, sind in Bewegungen in einem gestörten Familienmobile nicht harmonisch und folgen keiner Familienmelodie, da sie meist nur von einer Person, nämlich der abhängigkeitserkrankten Person ausgehen. Auch bei anderen psychischen Erkrankungen sieht das Familienmobile ähnlich aus. Die Bewegungen sind oft so stark, dass die erkrankte Person alle Aufmerksamkeit auf sich zieht und im Mittelpunkt steht. Bei ihm oder ihr laufen die Fäden zusammen und das Wort „abhängig“ bekommt, bezogen auf das Mobile, noch einmal eine ganz andere bildliche Bedeutung. Wenn die Familienmitglieder nun alle auf dieses eine Familienmitglied fokussiert sind, ist eine gesunde Entwicklung bzw. Weiterentwicklung nur bedingt möglich.

Aufgrund der Herausforderungen und des Ungleichgewichtes in der Familie, die sich aus dem Alkoholismus ergeben, suchen Kinder aus suchtbelasteten Familien oftmals nach Bewältigungsstrategien, um sich anzupassen und das familiäre Gleichgewicht wieder herzustellen. Nicht selten nehmen Kinder aus suchtbelasteten Familien hierfür Rollenmuster ein. In der Literatur findet man hierzu unterschiedliche Modelle (z.B. Rollenmodell nach Martin Zobel). Oftmals werden in suchtbelasteten Familien, in denen der Vater suchterkrankt ist, bei der Mutter und den Kindern Scham- und Schuldgefühle aktiviert. Beispielsweise achten Kinder verstärkt darauf, dass sie keine Klassenkamerad*innen zu einer „ungünstigen Zeit“ mit nach Hause nehmen. Sie gehen dann lieber zu den Klassenkamerad*innen nach Hause. Außerdem herrscht oft die Befürchtung, selbst ausgegrenzt zu werden. Angehörige leiden oft stumm.

„Oft bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen“.

Vielleicht schwingt dieses Bibelwort bei den Angehörigen in ihren Reaktionen mit. Vielleicht ist es auch das Pflichtbewusstsein, alles am Laufen halten zu müssen oder doch die übermäßige Scham versagt zu haben, was die Angehörigen nicht konstruktiv handeln lässt. Unumstritten ist jedoch, dass die Situation erst erkannt werden muss, um die Machteinflüsse, die von diesem Gebilde aus Gefühlen, Scham und Schuld ausgehen, abschneiden zu können. Damit bringen sie jedoch das Mobile zum Wanken, das Gefüge wird regelrecht zerrissen. Dies wirkt sich auch oftmals auf die konsumierende Person aus, die verunsichert versucht, die neue Situation einzuordnen. In dieser Situation stehen die Chancen gut, dass die suchterkrankte Person das bisherige Verhalten in Frage stellt und weitreichende Schritte einleitet und vollzieht. Unter den Beteiligten können nun vorsichtig neue Banden geknüpft werden, sodass ein neues Familienmobile entstehen kann.

Ich wünsche Allen, die noch in einem krankmachenden Mobile eingebunden sind, Mut die nötigen Überlegungen zuzulassen, um daraus richtige Schritte abzuleiten und umzusetzen. Seid achtsam und geht sorgsam mit euch um.

Liebe Grüße, euer Gerald

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